Da am Karfreitag leider keine Gottesdienste in unseren Gemeinden stattfinden durften, haben wir die Predigt von Pfarrerin Karin Meier aus Laubenheim für Sie hier online veröffentlicht:

 

Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.

Psalm 118, 17

 

 

Liebe Gemeinde,

wir feiern den Karfreitag und Ostern in einer Ausnahmesituation. Das gab es noch nie, dass wir nicht in der Kirche Gottesdienst feiern durften. Wegen des Corona-Virus müssen und wollen wir alle so vorsichtig sein, dass wir vorerst zuhause bleiben oder nur als Einzelne oder Kleinstgruppe unterwegs sind. Aus Rücksicht auf andere, aus Sorge um uns selbst.

Wir haben viele Sorgen in dieser Zeit, und sie werden mit Blick auf die Nachrichten oft nicht kleiner. Manche haben noch mehr Arbeit und Stress als sonst, z.B. durch Kinderbetreuung und Homeoffice. Andere haben mehr Zeit, können Dinge tun, die sie schon immer machen wollten, weil vieles abgesagt wurde. Wieder andere leiden unter Langeweile und Einsamkeit. Trotzdem können wir noch froh sein. Den meisten von uns geht es gut und wir haben auch gute Chancen, durch diese Krise hindurch zu kommen.

 

Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.

 

Ein schönes Wort des Dankes, aus Psalm 118. So spricht jemand, der noch einmal davongekommen ist. Davongekommen vielleicht nach einem lebensgefährlichen Unfall. Befreit vom Verdacht auf unheilbare Krankheit. Freigesprochen von schwerer Anklage. Wer so davongekommen ist, für den ist das Leben neu. Es leuchtet wie ein Licht in dunkler Nacht, wie die Frühlingssonne am blauen Himmel. Wer so davongekommen ist, der jubelt und erlebt das Leben wie nie zuvor.

Doch das ist nur die eine Seite. Wo sind denn die anderen? Wo sind die, die nicht davongekommen sind? Wie schön wäre es doch, wenn sie alle gerettet worden wären und Gott danken könnten!

Ja, das stimmt. Und es betrifft uns alle. Denn: auch wenn wir jetzt leben und glücklich sind, so kommt doch die letzte Stunde für jede und jeden, die Zeit, wo nicht mehr gilt: Ich werde nicht sterben! Sondern: Ich sterbe! Auch wenn ich vorher hundertmal mit dem Leben davongekommen bin. Ja, so ist das.

Aber, auch wenn das so ist: Was wäre, wenn alle, die leben, alle, die vor dem Tod bewahrt wurden und vor großer Not, Unheil und Problemen, wenn sie alle sich mit Dank und Lob an Gott wenden würden?

Hat nicht jeder von uns so viel Anlass zum Lob? Hat nicht jeder genug Grund zu danken, allein deshalb, weil er heute lebt und bis heute schon viele Jahre gelebt hat? Weil er oder sie heute morgen wie jeden Tag aufstehen konnte, atmet und das Licht sieht? Wird unser Dank dadurch unnötig, wird unsere Freude davon widerlegt, dass wir alle und die ganze Welt immer vom Tod bedroht ist?

Nein, das finde ich nicht. Die Angst vor dem Tod, die Sorge vor Krankheit, Unglück und Not – sie ist nur die andere Seite der Medaille. Beides gehört eben zusammen in Gottes Schöpfung: Die Sorge und die Erleichterung, die Klage und das Lob, der Tod und das Leben. Beide Seiten aber sind umgeben von der Liebe Gottes.

 

Liebe Gemeinde!

In der Mitte des Karfreitags steht das Kreuz, Symbol des Todes und Symbol unseres christlichen Glaubens. Und an vielen Kreuzen sehen wir Jesus selbst, wie er leidet und stirbt. Und dann gibt es andere Bilder, da sehen wir das Leben: eine Osterkerze  wird angezündet, Licht fällt durch ein Kirchenfenster. Licht scheint aus dem leeren Grab, als die Frauen am Ostermorgen den Leichnam Jesu suchen. Ein Engel erscheint und sagt: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden (Lukas 23, 5-6)“. Das ist die andere Seite des Kreuzes.

In der Mitte der Berichterstattung dieser Tage und Wochen steht die Krankheit Covid-19 und der Tod. Wie oft wurden die Militärwagen gefilmt, die in Italien die Toten aus den Krankenhäusern abtransportierten. Wie sehr blicken wir alle ständig auf die Zahlen der Covid-19-Toten in den einzelnen Ländern, erschrocken und mitleidig, und mit der Hoffnung, dass es bei uns nicht so schlimm wird. Und dann gibt es andere Bilder: Menschen singen vom Balkon, klatschen Beifall für alle, die in den Krankenhäusern Dienst tun, Kirchenglocken läuten, Freiwillige melden sich, um in den Krankenhäusern zu helfen, Nachbarn bieten sich an, einzukaufen. Wir staunen, wir freuen uns darüber, manchmal sind wir gerührt. Wo die Not groß ist, da wächst die Hilfsbereitschaft. Viele Menschen treten dieser Krise mit sehr viel Mut und Kreativität entgegen. Und manche sagen: Die Welt wird danach anders sein.

Ja, Krisen und Katastrophen sind auch eine Chance zur Veränderung. In allen Situationen, wo ich Unglück erlebe, wo ich nicht weiterkomme, wo ich leide, wo ich fast verzweifle – in all diesen Situationen ist wohl auch eine Botschaft enthalten:

Du sollt dein Leben ändern! Du hast jetzt dazu die Chance. Wenn ich mit dieser Haltung an solche Situationen herangehe, dann ist das hilfreicher und erfolgreicher, als wenn ich in der Verzweiflung bleibe und schließlich resigniere.

Als Christinnen und Christen sehen wir das Leid auf eine besondere Weise. Wir kennen den Weg Jesu und erleben ihn in jeder Passionszeit, an jedem Karfreitag, wieder mit.

Wir wissen, wie verzweifelt Jesu Jünger und Nachfolgerinnen damals waren. Und wir wissen auch, dass mit Jesu Tod doch nicht alles vorbei war. Das zeigen uns die Geschichten der Hoffnung, von den Frauen am leeren Grab, von den Jüngern, die auf dem Weg nach Emmaus auf einmal Jesus an ihrer Seite haben, von der frohen Botschaft, die sich in alle Welt verbreitet hat. Wer sich mit Jesus verbunden weiß, wer ihm nachfolgt, der wird auch angesichts von Leid und Tod immer wieder Lebensmut gewinnen.

Liebe Gemeinde! Wie sich unser Leben durch diese Pandemie verändern wird, das wissen wir noch nicht. Es lohnt sich aber, darüber nachzudenken, welche Veränderung für uns wohl sinnvoll wäre und was Gott jetzt von uns erwartet. Und, genau wie Jesus in seiner schwersten Stunde, dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott – egal, was geschieht – immer bei uns ist.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

Pfarrerin Karin Meier